Tengu, die in Ko- und Dai-Tengu eingeteilt werden, zählen wohl zu den bekanntesten Fabelwesen in Japan. In unserem dritten Teil stellen wir euch diese mächtigen Monster näher vor.
Der Tengu wird in Japan oft als König der Yokai angesehen. Auffällig an seinem imposanten Äußeren ist die extrem rote Haut sowie die extrem lange Nase. In japanischen Sagen ist diese Gestalt allgegenwärtig. Als Weiser verehrt, als Unheilbringer gefürchtet, als Meister der Kampfkunst oder tugendhafter Mönch bekannt – der Tengu kann in den verschiedensten Rollen auftreten. Im Gegensatz zu bösartigen Geistern kann er sowohl Feind als auch Freund der Menschen sein.
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Name geht auf chinesisches Wesen zurück
Tengu (jap. 天狗) bedeutet wörtlich übersetzt „Himmelshund“ oder „göttlicher Hund“. Diese Bezeichnung geht auf ein mythisches Wesen aus China zurück, das wie ein Fuchs oder Hund aussah. Bis auf den Namen haben die Fabelwesen mit dieser Kreatur aber nicht mehr viel gemeinsam.
Den einen Tengu gibt es in der Welt der Sagen nicht, stattdessen gibt es unterschiedliche Abstufungen, die oftmals etwas mit dem jeweiligen Rang zu tun haben. Der Ko-Tengu (jap. 小天狗) befindet sich auf einer vergleichsweise niedrigeren Stufe. Er wird auch Karasu-Tengu (jap. 烏天狗) genannt. Karasu bedeutet übersetzt Krähe. Den höchsten Rang haben die Dai-Tengu (jap. 大天狗), was auch an ihrem imposanten Äußeren erkennbar ist.
Die mystischen Kreaturen scheuen menschliche Lebensräume, sie leben abseits von Siedlungen in Wäldern und vor allem in Gebirgen. Ko-Tengu leben in kleinen Höhlen an Klippen und steilen Abhängen und Dai-Tengu sind oft auf der Spitze hoher, heiliger Berge zu finden. In abgelegenen, dichten Wäldern finden die meisten Treffen zwischen Mensch und Tengu statt.
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Unterschiede bei Kleidung und Waffen
Jede Art zeichnet sich neben ihrem besonderen Äußeren auch durch unterschiedliche Kleidung und Waffen aus. Die Krähenwesen beispielsweise sind in Mönchsroben gekleidet und tragen eine buddhistische Kopfbedeckung. Ihre Körper gleichen, wie der Name schon vermuten lässt, einer Krähe. Ihre Waffen sind ihre riesigen Schnäbel, welche mit scharfen Reißzähnen versehen sind und statt mit Händen und Füßen bewegen sie sich mit gefiederten Flügeln und vogeltypischen Klauen fort.
Knallrote Haut und lange Nasen
Dem Menschen ähnlicher sind hingegen die sogenannten Dai-Tengu. Sie teilen den Kleidergeschmack der Karasu-Tengu und tragen ebenfalls Mönchsroben. Sie werden oft mit knallroter Haut und langen Nasen dargestellt, diese ist jedoch kein Muss in den Überlieferungen. Manche von ihnen haben am Rücken gefiederte Flügel, verfügen aber zusätzlich über Arme und Beine.
Viele Dai-Tengu haben außerdem einen langen Bart, der symbolisch für ihre Weisheit und das Alter steht. Manche von ihnen haben außerdem eine eher unscheinbare kleine Nase, ähnlich wie die Nase eines Menschen. Je länger jedoch die Nase, desto mehr Macht hat die Kreatur.
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Die Geschichte der Krähen-Tengu
Die krähenartigen Tengu gelten als bösartig. Zahlreiche Überlieferungen ranken sich um ihre grausamen Taten, die sie den Menschen im Laufe der Jahrhunderte angetan haben sollen. Sie attackierten sie im Sturzflug und zerfetzten die Menschen regelrecht mit ihren Schnäbeln.
Auch Vergewaltigung und Folter sollen zu den Gräueltaten Krähen zählen. Sie fesselten Kinder an Bäume und ließen Eltern die panischen Schreie hören – ohne, dass diese je eine Chance gehabt haben ihre Kinder zu befreien. Auch Entführungen von Erwachsenen standen auf der Tagesordnung der grausamen Krähen.
Besonders diabolische Freude sollen die Karasu-Tengu den Sagen zufolge dabei empfunden haben, Mönche und Nonnen zu quälen und zu misshandeln. Bei all diesen Gewalttaten wundert es kaum, dass den boshaften Krähen auch ein Sinn für schwarzen Humor zugeschrieben wird.
Das Stehlen wertvoller Dinge im Übermaß klingt da vergleichsweise harmlos, entspricht das doch eher dem harmlosen Verhalten der „diebischen Elster“. Und genau diese Vorliebe für wertvolle Objekte machten sich die Menschen zum Vorteil. Tauschhandel mit den Karasu-Tengu gingen für die Menschen oftmals gut aus und auf diese Weise gelang es ihnen auch, den Tengu wertvolle Informationen zu entlocken.
Waldgötter, Diebe oder Krieger
Während sich die gefiederten Kreaturen durch ein eher einheitliches Bild bemerkbar machen, treten die Dai-Tengu in den unterschiedlichsten Rollen auf. Sie sind weise und mächtige Waldgötter, ehrlose Diebe, mutige Krieger, Propheten, böse Dämonen oder gelten als Vorzeichen für schwere Schlachten. Sie werden von den Menschen gleichermaßen gefürchtet und verehrt.
Viele Dai-Tengu sind unter ihren individuellen Namen bekannt, so auch der König ihrer Art, genannt Sojobo. Dieser soll den Volkshelden Minamoto no Yoshitsune trainiert und ihm so übermenschliche Fähigkeiten in der Kampfkunst beigebracht haben.
Dai-Tengu leben abgeschieden. Die Kunst der Meditation gehört zu ihrem Alltag. Sie sind stolze Wesen und im Gegensatz zu den Karasu-Tengu nicht berechenbar. Ihnen werden diverse Naturkatastrophen zugeschrieben, die das Land ereilten. Man sagt, jede Katastrophe wäre eine Rache für die Vergehen der Menschen.
Streben nach Erleuchtung
Sie sind stolz und mächtig und für den Menschen nicht berechenbar oder durchschaubar. Viele von ihnen erstreben Erleuchtung. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wich die Furcht vor den bösartigen Kreaturen immer mehr der Verehrung. Sie sind ein populäres Thema im No- und Kabuki-Theater und der ukiyo-Malerei.
Auch bei besonderen Anlässen, wie dem Shimokitazawa-Tengu-Fest, stehen die berühmten Fabelwesen im Mittelpunkt. Menschen schlüpfen in entsprechende Kostüme und ehren auf diese Weise die sagenumwobenen Kreaturen, wie folgendes Video demonstriert:
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In buddhistischen Erzählungen heißt es, dass Dai-Tengu geboren werden, wenn ein Mensch stirbt, dessen Seele verdorben ist. Darf die Seele aufgrund ihres Karmas nicht in die Hölle oder ist die Erlösung der Seele nicht möglich, entsteht ein Dai-Tengu. Intensive Gefühle wie Wut, Rachsucht, Stolz oder Ketzerei, die in der verdorbenen Seele verankert sind, manifestieren sich dabei körperlich in der Form der menschenähnlichen Fabelwesen und erschaffen auf diese Weise eine übermenschlich mächtige Kreatur.